2014-04-06

Die hohe Kunst der Sushi-Speisung!

Bei Shoko Kono habe ich in den letzten Jahren einige Kochkurse gemacht, hier, hier und hier darüber gebloggt. Ich bin mit ihr auf auf facebook verbunden, wo sie gestern diesen kleinen nicht uninteressanten Warnhinweis postete:



Nun bin ich durch die buddhistischen Aktivitäten meiner Mum im Umfeld mit vielen Japanern groß geworden und mit ihrer Küche. Damals wurde nie Wasabi in die Soja-Sauce gerührt und mich wunderte, dass Jahre später als hierzulande die Sushi-Restaurants wie Shiitake-Pilze aus dem Boden sprossen, plötzlich die Sitte hochkam mit Wasabi eine an sich vor Würze und Geschmack strotzende Sauce zu … ja zu was eigentlicht? Zu verfeinern? Zu pimpen? Zu killen? Zumal eine Regel sagt, dass man ein einmal angebissenes Sushi nicht erneut in die Sauce taucht, um diese rein zu halten. Rein bleibt sie auch mit eingerührtem Wasabi eher nicht, oder?

Gestern ergab sich durch Shokos Post eine sehr interessante Diskussion auf facebook. Wir hatten natürlich Fragen zu den einzelnen Punkten, die Shoko uns freundlich erläuterte und die ich gerne wiedergebe.

Bei allem freiheitlichen Denken, dass wir uns in unserer Kultur als so wichtig auf die Fahne schreiben, darf man eines nicht vergessen: keine Küche ist eine so demokratische Küche, wie die japanische Küche. Wer in ein Sushi-Restaurant kommt, wird immer vom Meister-Koch eingeladen ihm bei seiner Arbeit zuzugucken, der Entstehung seiner Speise beizuwohnen. Sushi-Küchen sind immer offene Küchen. Man kocht visuell sichtbar für den Gast. Der Koch stellt so unter Beweis, dass er seine Kunst beherrscht, dass er nur gute, frische Zutaten verwendet, dass er direkt für den Gast das von ihm ausgewählte Sushi zubereitet und wie sauber er seine Küche und Werkzeuge hält, als auch wie hygienisch mit den einzelnen Zutaten umgegangen wird. Ehrerbietung ist das Zauberwort, dass in der japanischen Kultur überall eine große Rolle spielt.

Demgegenüber ist die Tatsache gegeben, dass im japanischen Restaurant auch der Gast vom Koch gesehen wird. (Üblicherweise sitzt man in japanischen Restaurants direkt an der Theke, wo eine Kommunikation mit dem Chef immer möglich ist.) Der Gast signalisiert in dem er das Sushi – und auch alle anderen Speisen – in der für ihn zubereiteten Weise genießt, gut heißt und somit wertschätzt. In dem die Speisen so gegessen werden, dass man die einzelnen Geschmackskomponenten schmecken kann, wie vom Koch erdacht und geschaffen, signalisiert der Gast dem Koch gegenüber, dass er seine Arbeit versteht und schätzt.

Wie Shoko erklärt, wird in den Restaurants in Japan kein Wasabi auf dem Sushi-Teller serviert und nur eine sehr kleine Menge Gari, den eingelegten Ingwer. Wasabi ist bereits vom Koch bei jedem Sushi in der von ihm zur Speise als richtig empfundene Menge zugefügt. Er gehört ursprünglich nur extra gereicht, ordert man Sashimi, den rohen Fisch ohne Reis. Und Gari wird nur in sehr kleiner Menge gegessen und dient alleine der Neutralisierung des Geschmackes zwischen einzelnen Sushi. Er wird also nur bei Bedarf und nie zusammen mit einem Sushi eingenommen. Man bestellt ihn auch nicht nach.

Shoko hat für sich selbst nur einen Punkt definiert, wann sie selber Wasabi in die Soja-Sauce geben würde: wenn der Fisch nicht frisch ist. Also dann, wenn man das Sushi gar nicht essen möchte.

Meine Frage, warum dann überhaupt Wasabi und Gari hierzulande in so großen Mengen angereicht wird, beantwortete Shoko so: Als Sushi noch kein Mainsstream-Food war, haben sich hauptsächlich Russen Sushi leisten können. Sie hatten Geld und ließen Wasabi und Gari immer noch extra servieren (vergleichbar mit der Kaviar-Attitüde). Und tatsächlich stehen in Berlin-Charlottenburg und Wilmersdorf – wo die Sushi-Restaurants mittlerweile oft auf geschäftlicher Ebene in russischer Hand sind – häufig eine große Schale Gari auf dem Tisch, aus der man sich so viel Ingwer nehmen kann, wie man möchte. In der japanischen Küche hinsichtlich der Frische und Hygiene ein undenkbares Verhalten.

Mich mit Gari zurück zu halten, fällt mir übrigens auch eher schwer. Ich habe aber immer welchen im Kühlschrank und esse ihn gerne vor dem Fernseher – als Chips-Ersatz.

Da der ursprüngliche für Sushi verwendete Wasserrettich ein sehr seltener und daher teurer Rettich ist (200 €/kg), der in der Würze eine extrem hohe Intensität bietet, liegt der Grund für die zurückhaltende Verwendung auf der Hand. Hierzulande wird eh nur Seiyō Wasabi (Wasabi-Meerrettich) angeboten, der ist deutlich günstiger und geschmacklich viel weniger intensiv. Auch das mag die Zuwanderung auf den Teller in Mengen erklären.

Warum allerhöchstens die Menge eines Teelöffels Soja-Sauce in das Schälchen gegossen wird, erklärte Shoko mit einer Anekdote: «Als meine deutschen Freunde und ich in einem Sushi-Restaurant am Tsukiji-Fischmarkt waren, beobachtete uns eine Kellnerin, und als jemand viel Sojasoße genommen hatte, hat sie uns gesagt, "bitte nicht so viel Sojasoße, ansonsten schadet sie dem Geschmack von dem guten Fisch!"»

Somit sind Punkt 1 und 2 von Shokos Auflistung nachvollziehbar. Zu Punkt 3 ist zu sagen, wenn Nigiri in Soja-Sauce getaucht wird nur mit der Fischseite an einer sehr kleinen Ecke eingetaucht wird. Es badet nicht darin. Der Reis ist bereits gesäuert und gewürzt; weder er benötigen zusätzlichen Geschmack, noch braucht die Soja-Sauce seine Säuerung. Auch geht es darum, die besondere Zubereitung des behandelten – und eben oft extra für das Sushi gewählten, qualitativ sehr hochwertigen, teuren – Reis geschmacklich erkennen zu können. Und was einmal schon den Mund berührt hat, wird nicht noch einmal eingetunkt in dieses Schälchen! Wobei die Frage ist, warum man von einem Nigiri überhaupt abbeißen sollte?

Punkt 4 und 5 habe ich schon besprochen, der sechste Punkt erklärt sich von selbst: In Japan isst man nur das Sashimi, also den rohen Fisch ohne Reis zubereitet, mit Stäbchen. Nigiri und Maki wandern von der Hand in den Mund. Weswegen man in guten japanischen Restaurants vorher feuchte, warme Handtücher gereicht bekommt, um die Hände (ggfs. auch das Gesicht) zu reinigen. Wer möchte, darf bei Sashimi an einer Ecke sehr wenig Wasabi aufbringen, die anderen Ecke leicht in Soja-Sauce tauchen. Tatsächlich sollte es beim Genuss primär darum gehen, den Geschmack von dem sehr frischen edlen Fisch zu genießen.

Natürlich würde ein japanischer Koch nie sein Gesicht verlieren und einen Gast aufgrund der Missachtung seiner Kunst wirklich vor die Tür setzen. Das verbietet die japanische Kultur, in der die Emotion eher nicht nach außen getragen wird. Aber ein Koch, der sich ärgert, könnte womöglich seinen Ärger auf sein Handwerk übertragen – und unter Ärger zubereitete Speisen möchte doch niemand essen?

2 Kommentare:

Britta in Norwegen hat gesagt…

Oh super, dann brauche ich ja kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich mein Sushi mit der Hand esse :-)

Dass mit der Soja-Soße und dem Eintunken finde ich interessant. Da allerdings in den durchschnittlichen Sushi-Bars/Restaurants in Norwegen der Reis völlig geschmacksbefreit ist, kann ich da nicht drauf verzichten bei Nigiri. Bei allen anderen liebevoll zubereiteten Sachen mache ich das aber nicht, es wird mir schnell zu scharf, daher kein Ingwer und kein Wasabi für mich.

Danke für die Infos, jetzt bin ich wieder ein Stück schlauer und sollte mir bei einem Chinesen/Japaner/anderen Asiaten mal feuchte Handtücher angeboten werden, dann weiß ich immerhin, dass ich erstmal gucke wie die anderen essen :-)

Lg, Britta

Barbara / schlecktüre hat gesagt…

Ui, interessant, das war mir in vielen Punkten so nicht klar. Da hab' ich mich ja wohl das eine oder andere Mal schwer daneben benommen … danke für den Einblick!

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