2016-01-19

Die Schlehe



Mensch, da musste ich im letzten Jahr glatte 50 werden, um erstmals Schlehen kennenzulernen. Kannte ich nicht. Ja, sicherlich ist mal im Getränkeregal das Wort „Schlehenlikör oder -geist” an mir vorbei geschlichen aber da ich solche Getränke eher nicht trinke und noch weniger kaufe, gab es in meinem Leben keine Schlehen und somit kein Nachdenken darüber.



Bis mich meine liebreizende Nachbarinfreundin im letzten Jahr nach Karow zum Hundebespaßungsspaziergang entführte. Karow liegt nordöstlich in Berlin, von meiner Dockingstation ist man mit U- und S-Bahn binnen 30 Minuten hingereist, die einem deutlich kürzer vorkommen, wenn man eine Nachbarin, noch einen Nachbar und ein, zwei, drei Hunde für die Unterhaltung an der Frau hat. Da steigt man in die Bahn ein und „Schwups!” ist man schon da!



Karow bietet allerlei Interessantes, wird schmuck von einer schmal laufenden Panke begleitet und unser Ausflugsziel waren die Karower Teiche,



ein Naturschutzgebiet mit hübscher Wildvögel- und Rindvieh-Anbindung. Der Usedomer-Radweg führt auch dort lang. Und Streuobstwiesen als auch Schlehensträucher in größerer Menge.



Und so kam es, dass die Lieblingsnachbarin und alle Begleiter einen Weg entlang schritten, ich mich höchst begeistert über die prallen blauen Früchte an den Sträuchern rein visuell erfreute und mir die Nachbarin erklärte, das seien Schlehen. Meine Recherche später ergab, dass es sich dabei tatsächlich um Schlehen handelte, diese ausreichen Gerb- und Bitterstoffe besäßen, um also als prima Sache für den menschlichen Organismus durchzugehen und man könne diverse Dinge daraus zaubern, wie Saft, den schon beschriebenen Likör und Marmelade, wenn man nur die Früchte hängen lässt bis zum ersten Frost.

Ich lernte Karow und die Schlehen im späten September kennen, der nächste Frost schien also nicht allzu weit und als wir hierzulande selbst in Berlins Mitte die erste richtig kühle Nacht rund um null Grad hatten, machte ich mich alleine auf nach Karow an einem fürchterlich hübschen Sonnentag und ging Schlehen sammeln, denn ich interpretierte den Norden Berlins schlicht einige Grad kälter. Der ganze Tag war ungemein lustig aber darüber blogge ich ein anderes Mal (man kann ja Dinge und Menschen erleben in der Einsamkeit der Karower Grünanlagen, man glaubt es nicht!)



So sammelte ich also Schlehen und war ungemein erfolgreich. Gute vier Kilo werden es ingesamt gewesen sein. Übrigens heißt es das Schlehen sammeln mache keinen Spaß, weil die Sträucher Dornen hätte und pieken. Sie haben Dornen aber wirklich Pieken, das tun sie beim sammeln eher nicht so schlimm.



Nun ist die Schlehe eine – im Vergleich zu anderen saisonalen Früchten – wirklich pragmatische Frucht. Sie möchte erst nach dem ersten Frost geerntet werden, weil sie dann etwas von ihren im Überfluss vorhandenen Gerb- bzw. Bitterstoffen abgibt und dann erst genießbar ist. Daher wird in vielen Rezepten vorgeschlagen, wenn man sie dann doch vor dem Frost erntet, sie wenigstens noch mal in die tiefe Kühlung zu geben. Eine Frucht, die quasi tiefgefroren werden möchte, hat in saisonaler Einmachzeitkochkonjunktur deutliches Sympathiepotential. Das tat ich dann auch mit meinen Früchten. Und beließ sie dort bis letzte Woche, also einen Teil davon. Der Rest friert dort immer noch fröhlich vor sich hin.

Dass ich noch Schlehen im Kühlschrank habe, daran erinnerte mich neulich Ela von „Ela kocht!” , die ihre Schlehen unter anderem als Beilage für Fleischgerichte würzig einmachte. Das fand ich spannend und kochte das umgehend nach.



Nun ist die Schwierigkeit bei Schlehen folgende, wie man hier gut sehen kann:



Richtig gesehen! Das ist ein bisschen viel Kern in vergleichsweise wenig Schlehe! Insofern fand ich die Variante von Ela geschmacklich schon recht überzeugend, will sagen, er machte bei mir Lust auf mehr Schlehe aber als Beilage zum Essen eignen sich die Schlehen für mich eher nicht. Nicht entsteint. Und würde man entsteinen, wäre kaum Frucht vorhanden. So oder so hatte ich jetzt aber große Lust meine erste Schlehenmarmelade auszuprobieren. Ich wühlte mich durch diverse Marmeladenrezepte und habe nach meiner Erfahrungen erst einmal alle aussortiert, die überhaupt nicht darauf eingehen, dass man Schlehen entsteinen muss – alternativ wenigstens passieren muss. Und von solchen Nulllösungen gibt es erstaunlich viele!



Ich hatte knapp über ein Kilo Schlehen, vier Boskop-Äpfel (komplett mit Schale und Griebsch in Würfel geschnitten), sponsorte mit dem Mark einer Vanillestange und sicherte den Hinterhalt mit einer Packung Gelierzucker (2:1). Den Rest besorgten Hitze, eine Flotte Lotte und im späteren Verlauf ca. 600 ml Wasser.



Die Schlehen setzte ich mit den Äpfeln bei leichter Hitze auf und ließ alles sanft köcheln. Laut Rezept mindestens eine Stunde, bei mir waren es mindestens zwei und dann ließ ich das Ganze über Nacht ziehen. Die Äpfel habe ich deswegen komplett dazu gegeben, weil sie etwas Saft abgeben beim Einkochen und das Pektin der Kerne für eine natürliche Bindung sorgt. Am nächsten Tag ließ ich die Masse noch einmal aufkochen und pürierte alles mit meiner Flotten Lotte – die sollte man tatsächlich haben, wenn man sich an Schlehen dran macht. Klar kann man auch alles durch das Sieb streichen – aber das macht es unangenehm anstrengend.





Das Fruchtmus und den Saft habe ich aufgefangen und die Maische aus der Lotte nochmal mit dem 600 ml Wasser aufgesetzt wieder eine Stunde köcheln lassen und wieder alles durch das flotte Lottchen bewegt und auch den Saft und das Mus zum schon aufgefangenen Mus hinzugefügt. Übrigens hatte ich an dem Tag den ganzen Vormittag einen typischen „eine Erkältung kündigt sich an”-Hustenreiz, der wie von selbst verschwunden war, nachdem ich einen Esslöffel von dem Sud probiert hatte. Der war geschmacklich schon sehr lecker – und bitter. Da sind meine sich im pubertären Auflehnungsstatus befindlichen Bazillchen direkt weitergezogen. Die haben sich nicht einmal mehr verabschiedet. Was für ein angenehmer Nebeneffekt!



Den Sud habe ich nochmals aufgekocht, die Packung Gelierzucker hinein gerührt, das Ganze kochen lassen bis meine Gelierprobe meldete, dass alles ganz chic sei und die Marmelade in insgesamt fünfeinhalb Marmeladengläser (davon eins umgekippt) gefüllt und war zu diesem Zeitpunkt farblich schon einmal im Himmel. Will sagen: Schlehen verarbeitet man günstigenfalls besser in dunkler Klamotte!



Und nachdem die Konfitüre etwas fester geworden ist, musste ich natürlich probieren. Fazit: Schlehenmarmelade ist meine neue Lieblingsmarmelade und ich habe keine Ahnung, warum es diese nicht öfter im Handel gibt. Sie ist bildschön in der Farbe, hat eine angenehme Süße, was gleichbedeutend ist mit sie ist nicht zu süß. Daher eignet sie sich auch vorzüglich für eine Vinaigrette. Ihr feiner bitterer Geschmack rundet das Erlebnis schön ab. Und das Bittere ist auch wirklich anwesend – nichts ist tot gezuckert. Ich finde das ganz wunderbar, gehöre aber auch zu den Menschen, die sehr bedauern, weil man Chiccoree die Bitterstoffe weg züchtet. Der Schlehengeschmack ist überhaupt etwas ganz Feines!



Kurz: Karow ich komme im Herbst wieder! Ist aber auch zu schön dort!

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