2008-03-09

Gestatten, meine Oma Kaupisch!



Mit Omas war ich gut ausgestattet, theoretisch hatte ich drei, denn meine Mum wuchs als Pflegekind auf. Allerdings hatte sie ihre leibliche Mutter um ihren 18. Geburtstag nur einmal gesehen und dieses Treffen endete in einem Streit (mein Mum wusste von einer Halbschwester, deren Existenz ihre Mutter damals vor ihr verleugnen wollte). Und somit bekam ich von meiner einen «echten» Oma nichts weiter mit außer irgendwann eine Todesanzeige und einen merkwürdigen Herrn, der kurz danach irgendwann in unserer Tür stand, aus Süddeutschland angereist, sich als der langjährige Lebensgefährte dieser Großmutter ausgab und davon ausging, meine Mutter würde sich nach dem Dahinscheiden ihrer leiblichen Mutter nun um ihn kümmern und beherbergen. Meine Mum schickte den lustigen Mann in die Wüste und unterhielt danach über einige Jahre Briefkontakt zu ihrer real existierenden Halbschwester, die deutlich älter war als meine Mum. Wirklich getroffen haben sie sich leider nie.

Meine beiden anderen Omis waren hingegen richtige Omas, so wie sie sein müssen mit einer ungemein hohen Kompetenz darin uns – meinen Bruder und mich – ordentlich und nach Strich und Faden zu verwöhnen. Die eine – von uns Oma Mau genannt, sie hatte wohl früher Katzen – war im Krieg hart gebeutelt worden mit einem Mann in Kriegsgefangenschaft, zwei Söhnen, die sie mehr oder weniger alleine großzuziehen hatte und die lange Zeit das Wort Russe nicht formulieren konnte, geschweige über ihre Erlebnisse reden konnte, arbeitete bei Siemens/Osram als Kaltmamsell in der Küche.

Die andere, Oma Kaupisch, kam aus Oberschlesien, hatte dort gut situiert aber in großer Liebe einen deutlich älteren Herrn geheiratet, flüchtete dann später im Krieg mit meinem Großvater und ihrer kleinen rothaarigen Pflegetochter nach Berlin, wo mein Großvater nach dem Krieg ein gutgehendes Orient-Teppichfachgeschäft hoch oben am Kurfüstendamm eröffnete. Man hatte als eine der ersten in der Stadt ein Auto, Opa war Vorstand bei Tennis Borrussia, Oma und Mama führten ein recht gutsituiertes Leben bis mein Großvater 1960 unvermittelt verstarb.

Klara Kaupisch (Künstlername Cläre Guth) war, bevor sie meinen Opa traf, Tänzerin. Zwar immer nur das Mädchen aus der Reihe, war Clärchen damals auf Bühnen wie dem Metropol Theater engagiert, eine strahlend schöne Frau (bis ins hohe Alter) und für mich heute noch die Göttin meiner Kindheit in meinem Herzen. Meine beiden Großmütter hätten wirklich gegensätzlicher nicht sein können.



Oma war ihrer Zeit grundsätzlich voraus, in allem offen und mit dem Herzen aber auch Sachverstand ein ungemein kluger Mensch. Sie bewies das oft in ihrem Leben. Im Grunde letztendlich sogar mit ihrer Entscheidung zum Freitod. Aber auch als meine Mutter als knapp 20-jährige mit der Nachricht der Schwangerschaft mit meinem Bruder, knapp ein halbes Jahr nach dem Tod meines Großvaters, zu ihr kam und sie meiner Mutter (1960!) erklärte, sie müsse den Vater nicht zwangsläufig heiraten, wenn sie nicht wirklich wollte, sie beide bekämen das Kind auch alleine durch. Es gibt viele Geschichten von meiner Oma zu erzählen, das werde ich von nun an immer mal wieder tun.

Für übliche Verhältnisse – vielleicht gerade als Künstlerin – war meine Oma recht unorthodox. Oder hat hier noch irgend jemand (meiner Generation) Nacktfotos von seiner Oma – so um 1950 entstanden?

14 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ham-mer!
Champagner, Kaviar und Netzstrümpfe für alle Oma Kaupisch und alle Omas dieser Welt! Und knallrote süße saftige Erdbeeren!

Meine Oma Alma war auch nicht ohne!
Oft und gerne hat sie mir Zarah Leander vorgesungen:

"Man nennt mich Miß Vane, die berühmte, bekannte, yes Sir!

Die nicht sehr beliebte bei Onkel und Tante, no, Sir!

Man fürchtet, ich könnt die behüteten Neffen

im Himmelbett oder Spielsaloon treffen,

ich könnt Sie verführen mit tausend Listen,

zu etwas, das sie vielleicht doch noch nicht wüßten.

Yes, Sir! Yes, Sir! So bin ich am ganzen Leibe ich,

so bin ich und so bleibe ich. Yes, Sir!

So wie ich hier stehe,
so bin ich eben, yes Sir!

Die Schönheit ist mir nicht umsonst gegeben, no, Sir!

Die tausenden kleinen pikanten Histörchen, die leise geraunten Alkovenmärchen,

die sind mir nur teilweise angedichtet, denn auch ein schlechter Ruf verpflichtet.

Yes, Sir! Yes, Sir! So bin ich am ganzen Leibe ich,

so bin ich und so bleibe ich. Yes, Sir!

Und muß ich mein irdisches Gastspiel beenden, yes, Sir!

Sollt ihr euch nicht gleichgültig von mir wenden, no, Sir!

Ich habe geliebt, und ich habe geküßt, weil die Liebe doch dazu erfunden ist.

Wie alle's auch hier tun seit tausenden Jahren,

nur darf man um Gottes Willen nichts erfahren.

Yes, Sir! Yes, Sir! So bin ich am ganzen Leibe ich,

so bin ich und so bleibe ich. Yes, Sir!"

kaltmamsell hat gesagt…

Hinreißend! Ich freue mich schon auf weitere Oma-Geschichten.

Anonym hat gesagt…

Und es macht FLLUPP und meine Oma sitzt neben der Deinigen, wo sie wohl wunderbar hingepasst hätte, wäre sie nicht in einem Dorf aufgewachsen und hätte sie nicht einen Metzger geheiratet sondern die Bretter der Welt...
Tolle Geschichte, sehr anregend, in Erinnerungen zu kramen, und Deine Oma lebt weiter, so soll es ja auch sein! (o;

Anonym hat gesagt…

Hätte mich auch gewundert wenn so´ne Frau nicht deine Oma war.

Anonym hat gesagt…

die ist ja klasse :-)

Anonym hat gesagt…

Ach ja übrigens: Die Nähmaschine deiner Oma steht in meinem Keller.

(für alle anderen Mitleser: Das ist keine alter Sinnspruch aus Ostdeutschland oder so, a la "Koffer in Berlin", sondern FAKT!)

Anonym hat gesagt…

Ganz entzückend. So eine kesse Oma hatte ich leider nicht.

creezy hat gesagt…

@gaga
Oh ja, Oma Kaupisch war der Hammer. Die schlug noch mit 65 Rad auf meinen Kindergeburtstagen. Aber Oma Alma gefällt mir auch sehr gut, zumal ich heute mit Frau Generator über den Frühlingsfriedhof am Südstern geschlichen bin und sie mir erklärte, ihre Oma hieß auch Alma.

Alma wird der neue Trendname für kleine Mädchen. Ach und Zarah, lange Jahr wollte ich mein Mädchen Zarah nennen, sie hätte es verdient gehabt, die große Dame.

@kaltmamsell
Die kommen, liebe Kaltmamsell. Ich sage nur: Opa im Badeanzueinteiler! Im übrigen waren Sie mir Inspiration mit ihren Familienfotos. Muss ich mal sagen.

@Larousse
Machen Sie sich keinen Kopf. Die beiden haben sich längst da oben getroffen und machen die Männer verrückt und ganz meschugge, glauben Sie mir. Ich hege da keinen Zweifel!

@spontiv
Wobei es ja als direkte oder indirekte Nachfolgerin nicht so leicht ist mit so einer «coolen» Oma. Schwer da mitzuhalten!

@michael
Und so eine unglaubliche lebenslustige!

@ultrasoul
Ja, aber das ist ja die Nähmaschine der anderen Oma. ,-) Und nähen kann ich immer noch nicht. Müssen wir mal austauschen bei Gelegenheit die alte Dame.

Anonym hat gesagt…

Wirklich nicht schlecht!

Meine Oma könnte nur gute Erbsensuppe machen.

Und Klößchen.

Anonym hat gesagt…

Grosse Klasse, diese Oma! Ich glaube überhaupt, dass die Omas dieser Generation noch schwer unterschätzt sind und da zukünftig noch so manche Überraschung zutage gefördert werden wird. Auf die Fortsetzung der Geschichten um Oma Kaupisch freue ich mich schon!

P.S. Off topic, warum wird hier eigentlich mein Gravatar gar nicht mehr angezeigt bzw. was muss ich machen, damit der wieder angezeigt wird?

Anonym hat gesagt…

Zarah ist wirklich ein wunderschöner Name, sowohl für ein kleines Mädchen als auch für eine ältere Dame. Man sollte ja bei Babynamen immer auch an später denken.

Und was für eine glamouröse Großmutter! Meine war "nur" eine ganz normale Hausfrau, die aber das beste Sauerkraut der Welt gekocht hat. Und von den amerikanischen Ahnen weiß ich leider so gut wie gar nichts.

Anonym hat gesagt…

Respekt!

Wie alt wurde sie denn, wenn ich fragen darf?

bhuti hat gesagt…

Um die Oma beneide ich Dich :-)

creezy hat gesagt…

@mc
Eine Oma mit 'nem gutem Erbsensuppenrezept ist Gold wert. So eine hatte ich nicht.

@liisa
Das stimmt. Aber die Omas von heute, denen ist auch leider ein bisschen der Flair der grauen Welle abgekommen. ,-)

Ich weiß nicht, was mit den Gravataren passiert ist. Aber sie basteln wieder im Hintergrund, in der Engine ist auch wieder alles Deutsch/Englisch gemischt – das ist das Zeichen für «under construction» bei Blogger.

@lorelei
Zarah ist absolut zeitlos. Zarah passt auch interessanterweise zu den allermeisten Nachnahmen. Und hey, Oma mit dem besten Sauerkraut-Rezept? Was will man mehr?

@anonym
Irgendwas Ende 60, ich weiß es gar nicht mehr genau. Muss mal die Todesanzeige raussuchen.

@bhuti
Ach brauchst Du nicht, Ihr hattet doch bestimmt auch eine tolle? Mindestens eine oder?

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