2017-06-05

Veränderungen

Ich bemerke eine Veränderung an mir. Und ich weiß auch, wo diese Veränderung her kommt. Sie ist eine Hinterlassenschaft von S. Das Leben, diese Jahre mit S. und ihrer Krankheit, sie darin zu sehen, ihren Kampf zu verfolgen, die ständig wachsende Bewunderung für sie, weil sie so klar war, so rational, so stark in schwachen Momenten, mich hat das viel gelehrt.

Das Erleben von Gehen, vom Tod, das gibt einem viel.

Ich rege mich nicht mehr so schnell auf, ich gucke auf unpassende Dinge und Situationen und finde sie nicht mehr relevant. Ich kann sehr gut weitergehen und die Dinge auf sich beruhen lassen und mich den schöneren Dingen zuwenden. Ich muss nicht neiden, ich kann mich freuen für andere - noch mehr als früher. Gut, Neid oder Eifersucht waren eh nie Gefühle, die jemals eng in mir verwurzelt waren – aber die positiven Gefühle, die Freude für andere – die ist stärker und intensiver geworden und sie wirft damit helle Schatten auf mich zurück. Ich merke, dass ich in diesem Punkt immer mehr meiner Mutter ähnlich werde, die das sehr gut konnte – es war ihre Kernkompetenz sich für andere zu freuen, sehr ehrlich – dafür habe ich sie immer sehr bewundert.

Relevanz. Ich kann über sehr kleine Dinge viel größere Freude empfinden, lässt die Krankheit das Empfinden von Freude zu – und sie tut es in letzter Zeit immer häufiger. Das ist mir ein großer Gewinn. Überhaupt zu spüren und dann Gutes zu spüren und das Negative ein bisschen für sich sein zu lassen, es nicht größer machen als es ist.

Ich kann auch besser annehmen und Gutes, das mir widerfährt für mich verteidigen. Ich muss nicht zurück treten. Ich lerne kleine Glücksmomente für mich anzunehmen.

Reisen. Auch unter erschwerten Bedingungen, die mich immer glauben machen, das geht gar nicht aus vielerlei Gründen. Sich Horrorszenarien ausmalen, die Dinge unmachbar erscheinen lassen. Diese Ängste anzugehen und sich trauen. Vor zwei Jahren völlig undenkbar für mich. Nun so etwas wie Glück und Genuss dabei empfinden.

Mir wurde beispielsweise auf dieser Reise das schönste Zimmer zugeteilt. Mit einer riesengroßen Terrasse. Nicht, dass ich auch nur annähernd viel Zeit in diesem Zimmer oder auf der Terrasse hätte verbringen können. Und es gab eine Mitreisende, die ernsthaft der Meinung war, ich solle mein Zimmer mit ihrem tauschen. Alleine die Frage „Möchtest Du mein Zimmer mit mir tauschen?” war unter den Umständen – so wie die Person sich vorher mir gegenüber verhalten hatte – eine durchaus interessante Frage. Ich antwortete „Nein!” (und löste damit eine erschreckende unreife kleine Krise aus) – aber ich habe zum ersten Mal gefühlt: dieses Zimmer steht mir durchaus zu. Und dazu habe ich gestanden, normalerweise neige ich dazu zurückzutreten und Dinge anderen zu überlassen, um sie glücklich zu machen. Dieses Mal habe ich mich glücklich gemacht und Unfrieden ausgehalten. Das wundervolle Zimmer genossen. Es geht – wer hätte das gedacht?

Ich hatte auf meiner Amazon Wunschliste eine Schwimmbrille gesetzt als ich vor einigen Monaten mit dem Schwimmen anfing. Die hat mir eine liebe und großzügige Seele (anonym) geschickt. Ganz herzlichen Dank dafür! Und diese hatte ich mitgenommen, sowie einen Badeanzug – obwohl das gesamte Programm und Ortslage so gar nicht nach Baden geklungen hatte, habe ich einfach die Hoffnung eingepackt vielleicht doch einmal in dieses wundervolle Meer zu springen.

Mich begleitet seit zwei Jahren ein (für mich) Albtraum in dem ich auf Mallorca bin, in der Hochsaison, direkt am Meer lebe, jeden Tag daran entlang laufe – aber immer so beschäftigt bin, dass ich nicht einmal mit den Füßen ins Wasser komme, während alle um mich herum darin baden. Dann reise ich ab und war nie im Meer. Der Traum, immer wieder kehrend, manifestierte sich, so dass ich mittlerweile glaubte, nie wieder in irgendeinem Meer baden zu dürfen.

Freitag sind wir an das Adriatische Meer gefahren und die Truppe (was jetzt nicht so sehr professionell war, denn es war nun einmal eine Journalisten-„Bildungsreise”, kein Erholungsurlaub) erkämpfte sich mehrere Stunden Strand- und Badezeit und warf so das Programm zum Leidwesen der Organisatorin um. Aber: ich durfte ins Meer. In dieses wundervolle helltürkis glitzernde, noch angenehm kühle und wunderschöne Meer. Und ich bin mit der Schwimmbrille geschwommen und geschwommen – bis zur letzten Boje, die das Ende des Schwimmerbereiches signalisierte – weit raus, was ich mich früher nie traute. Aber es war so schön und ich war so glücklich und ich war dankbar für die Brille, für das Geschenk, das mir nun ein ganz anderes Schwimmerlebnis ermöglichte – und da war und ist so viel Freude über diese kleinen Dinge: wenige Stunden in diesem Meer mit Brille, die es mir ermöglichte bis auf den Grund zu gucken (ich kann ohne Brille unter Wasser die Augen nicht aufmachen, ist einfach nicht meine Kompetenz) und sich frei zu schwimmen.

Genießen, sich freuen und in viel Liebe an S. denken, die soviel bewegt und verändert hat auf ihre eigene stille Weise. Bei mir.

Ich bin dankbar!

4 Kommentare:

Claudia Braunstein hat gesagt…

Liebe Claudia, was für ein schöner Text. Ixh kann das so gut nachvollziehen, denn genau solche Veränderungen habe ich seit meiner Erkrankung durchlebt. Ich schick' dir sonnige Grüße aus Salzburg, die Namenskollegin

Sanddorndiva hat gesagt…

Ich freue mich so sehr das zu lesen :-))

Anja hat gesagt…

Wunderschön beschrieben, ich freue mich sehr für Dich!

MonikaZH hat gesagt…

Ich freue mich so für Dich! Und wünsche Dir dass es so weitergeht, einen Schritt nach dem anderen. Und dass Du jeden Schritt geniessen kannst und darfst.

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